August 2020
Vier Elemente des Design Prozesses in Nachhaltigkeit und Circular Economy.
Design trägt zu Innovation bei – trägt Innovation zu einer besseren Welt bei? Dieser Artikel zeigt vier Schritte, um Nachhaltigkeit und Circular Economy in den Innovationsprozess zu integrieren.
In den letzten Jahren war ein Thema im Design unüberhörbar: human-centred oder kundenzentriertes Design. Grundsätzlich verspricht es, auf die Bedürfnisse der Menschen zu hören und dafür eine Lösung anzubieten. Durch frühes Einbinden der Nutzer und wiederholtes Testen mit Prototypen sollen Fehlentwicklungen vermieden werden und radikale Innovationen entstehen. Damit verknüpft ist der Begriff Design Thinking und die dazugehörigen Prozesse, Phasen und Methoden (Design Council).
Auf den Menschen zu hören, das tönt erstmal ganz gut. Wenn man bedenkt, das viele Dinge entwickelt werden, ohne Kunden zu befragen oder Tests zu machen, dann ist dieser neue Ansatz sehr sinnvoll. Doch es ist auch klar, dass das alleinige ausrichten auf den Menschen unsere Umwelt aus dem Gleichgewicht geworfen hat. Mit dem Fokus auf die Menschen sind wir nun dabei, unsere eigene Lebensgrundlage auf dem Planeten zu gefährden. Wie weit dies schon fortgeschritten ist, zeigen die Planetary Boundaries (Stockholm Resilience Centre). Gleichzeitig wird vornehmlich eine Region der Menschheit berücksichtig, der Westen. Dessen Bedürfnisse haben hohe soziale Kosten. Die weltweite Ungleichheit wird sehr deutlich in der Arbeit von Kate Raworth (Doughnut Economics).
Der Fokus dieses Textes soll aber nicht in apokalyptischen Nachrichten liegen. Tatsächlich gibt es bereits eine grosse Zahl von Designansätzen, welche dem negativen Einfluss der Menschen Rechnung tragen, wie Social Design, Circular Design, Eco Design, Design for Repair und weitere. Wir fassen diese Ansätze mal ganz grob als nachhaltiges Design zusammen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie auf dem Design Thinking Prinzip aufbauen. Das Projektteam ist nicht nur aus Designern zusammengestellt, sondern besteht aus unterschiedlichen Disziplinen. Sie nutzen verschiedene design-orientierte Methoden als Vermittler zwischen den Disziplinen.
Das Framework
Die Arbeit an einem nachhaltigen Ziel bringt einige Herausforderungen für design-orientierte Innovationsteams. Im Zuge meiner Masterarbeit habe ich dazu neun Experten befragt. Entstanden ist ein meso-level Framework für nachhaltiges Design. Es besteht aus vier chronologischen Schritten:
1. Expectation management
2. System Practice
3. Visioning
4. Long-term process
1. Expectation management
Gehen wir davon aus, dass ein Innovationsteam für einen Kunden arbeitet. Das Projekt, an dem das Team arbeitet, kann bereits Vorgaben enthalten, zum Zeitrahmen, Budget oder involvierten Personen. Es ist nun üblich, in einem Rebriefing die Ziele des Projektes (erneut) zu formulieren und auf einem offenen Spielfeld zu beginnen. Für die Kunden kann das irritierend sein, wenn sie bereits klare Erwartungen hatten und mit einem solchen Prozess nicht vertraut sind. Umso schwieriger ist es dann für das Team, das Thema Nachhaltigkeit in den Prozess zu integrieren. Es ist deshalb von Bedeutung, die Erwartungen des Kunden (oder allgemein der involvierten Personen) vorab einzuschätzen. Auf Basis dieser Einschätzung kann das Team versuchen, möglichst viel Spielraum für nachhaltiges Design zu gewinnen. Dies ist ein langer Prozess und eventuell über mehrere Projekte verteilt. Ein Werkzeug für eine Einordnung nach klaren Kriterien ist die Design Staircase (Kootstra 2009)
2. Systems Practice
Was genau ist Nachhaltigkeit? Dies zu diskutieren ist ein mühevoller Start in ein Projekt. Man kann sich erstmals darauf einigen, das vieles nicht in die richtige Richtung läuft und man das ändern sollte. Das Innovationsteam soll ein Gefühl für das ausgewählte Problem bekommen. Die meisten Probleme in Verbindung mit Nachhaltigkeit sind komplex und systemisch. Komplex, weil sie verschiedene Branchen und Sektoren betreffen und systemisch, weil sie mit anderen Herausforderungen verknüpft sind und sich dynamisch ändern. Um dafür ein Gefühl zu bekommen, kann das Team eine Exkursion machen.
Oftmals ist es hilfreich, zusätzlich ein Dossier zum Thema zusammenzustellen, welches als Datengrundlage dient. Dies ist eine erste Analyse des Systems, welches das Team verändern möchte. Systems Practice beinhaltet weitere Werkzeuge und kann einen grossen Umfang annehmen. Man muss also abschätzen, wieviel Analyse nötig ist um das gewählte Problem in seinem Ursprung angehen zu können.
3. Visioning
Als dritten Schritt nimmt das gesamte Team an einem Visioning Workshop teil. Darin werden unterschiedliche Informationen kombiniert, wie Glimpses of the Future, Trends, Scenarios, User Aspirations und die Organisationsstrategie. Aus dem Workshop resultiert eine grosse Zahl von Themen. Diese werden vom Innovationsteam anschliessend zu einer visuellen Vision verarbeitet. Dieser Schritt ist wichtig, damit eine gemeinsame Sprache entsteht und alle über das Gleiche sprechen. Gleichzeitig hat das Team die Möglichkeit, die Vision mit vernachlässigten Aspekten zu erweitern, die Vision ambitionierter zu formulieren oder allenfalls einzugrenzen. Für die Form gibts es viele Möglichkeiten, Poster, Broschüre, Video. Eine weitere Möglichkeit ist es, Design Artifacts zu erstellen. Das sind Artefakte wie fiktive Gegenstände aus einem Filmset. Die Vision ist das Filmset und die Artefakte versinnbildlichen oder transportieren die Vision. Ein schöner Artikel dazu ist «How big tech hijacked its sharpest, funniest critics» (MIT Technology Review).
4. Long-term process
Um wirklich nachhaltige Resultate zu erzielen, brauchen Projekte sehr viel Zeit und Arbeit. Eine Voraussetzung ist also, dass man mit den Kunden eine langfristige Beziehung aufbaut. Dabei hilft es, klare Phasen zu definieren, in welche das Projekt unterteilt ist. So bleibt das Projekt übersichtlicher. Nach der ersten Phase plant man gemeinsam die nächsten Schritte. Gleichzeitig bleibt damit Zeit, damit sich die Kunden an die neue Denkart gewöhnen können, die mit einem solchen, nachhaltigkeitsorientierten Projekt einher kommt und ihre Organisationskultur verändern. Vielerorts gibt es bereits Menschen in den Organisationen, die einen transparenten und nachhaltigen Arbeitsethos vertreten. Diese können für ein Projekt gewonnen werden und sorgen so für den nötigen firmeninternen Spielraum. Für die Designer bedeutet das, dass sie nicht einen finalen Geniestreich präsentieren, sondern einen Zwischenschritt weiterentwickeln. Sie müssen auf ein langfristiges Ziel hinarbeiten, aber gleichzeitig einen Mehrwert in der jetzigen Projektphase schaffen.
Wie kann man das anwenden?
In meinem Gesprächen mit unterschiedlichen Experten für nachhaltiges Design habe ich diese vier Schritte beobachtet. Sie zeigen, in welchen Punkten human-centred Design weiterentwickelt werden kann. Sie sind eine Grundlage für nachhaltiges Design und einen Circular Design Prozess. Die gesamten Ergebnisse sind veröffentlicht unter: (Aalto Online Library).
Falls du dieses Themen spannend findest, würde mich eine Nachricht von dir sehr freuen: hallo@koplanar.org
Die Resultate basieren auf Interviews mit Design Experten in The Value Web, Meld Studios, Hellon, Fjord, Carnegie Mellon University, MoSan, TheNaturalStep, Veryday, (ein Interview anonym).